Projekt: Lesepfad auf dem Werder
Das Ziel dieses Projektes ist, Kinder bzw. Jugendliche zum entdeckenden Lesen anzuregen, und zwar zwanglos in freier Natur.
Zu diesem Zwecke werden 6 Lesestationen errichtet, die man auf kurzem Wege erwandern kann. Diese Stationen sind rund um den Biergarten „Die Insel“ auf dem Werder gruppiert und können in beliebiger Richtung „erwandert“ werden.
Jede Lesestation besteht aus einer Sitzgelegenheit (in der Regel einem breiten Naturstein, einmal ist es eine Sitzbank), einer lebensgroßen bunten Holzfigurine (entweder einen Jungen oder ein Mädchen darstellend) und einer amerikanischen Briefbox, die die Bücher enthält. Holzfigur und Briefbox sind jeweils an einem fest verankerten Stahlrohrmasten befestigt.
Bei jeder Lesestation befindet sich ein Angebot unterschiedlicher, wetterfest eingebundener Bücher, die vor Ort gelesen oder angeschaut werden können, verbunden mit der Bitte, sie nach Benutzung wieder in die Box zurückzustellen. Es werden auch Papier und Schreibstifte vorhanden sein, damit der Leser, die Leserin - wenn gewünscht - ein feedback geben kann.
Die einzelnen Lesestationen werden ein Bücherangebot unterschiedlicher Art bereithalten, vom Vorlese- bis zum Lesealter, vom Bilder- bis zum Lesebuch, vom Sachbuch bis zur Belletristik, auch Fortsetzungsgeschichten, Heimatkundliches, mehrsprachige Bücher, etc.
Die Auswahl der Boxen-Inhalte wird von den Schülern und Schülerinnen der Papenschule getroffen, die dieses Projekt mitgestalten und teilweise auch betreuen: also Schüler gestalten für Schüler.
Finanziert wird das Projekt von der Bibliotheksgesellschaft Hameln. Als Sponsoren konnten bisher die SSK Hameln und die Sparkasse Weserbergland gewonnen werden. Die Lesestationen wurden installiert vom Betriebshof der Stadt Hameln, die Holzfiguren von der Jugendanstalt Hameln-Tündern gefertigt.
Wir danken der Stadt Hameln für die wohlwollende Begleitung dieses Projektes und der Papenschule, ihren Schülern und Schülerinnen sowie ihren Lehrern und Lehrerinnen für die tatkräftige Mithilfe. Möge dieser Lesepfad seinen Zweck erfüllen: ein Krea(k)tivprojekt zu sein für Kinder und Jugendliche, das der Förderung des Lesens
Lesepfad auf dem Werder
Ein Projekt der Bibliotheksgesellschaft Hameln für Kinder und Jugendliche
von Bernd Bruns, 1. Vorsitzender der Bibliotheksgesellschaft Hameln
Anstoß und Zielsetzung
Unsere Sommerferien 2013 verbrachten wir in Gurtis bei Frastanz im Vorarlberg/Österreich. Bei unseren Wanderungen entdeckten wir nahe der Gemeinde einen Lesewanderweg, den die Grundschule Gurtis in Zusammenarbeit mit Gemeinde und örtlichen Sponsoren eingerichtet hat. Es handelt sich um einen markierten Weg am Waldrand mit schönen Aussichten auf die Gegend (etwa in 1000 m Höhe), der aus 9 oder 10 Lesestationen besteht. In relativ kurzen Abständen gelangt man jeweils zu einer Sitzbank, einer bunt bemalten lebensgroßen Holzfigur (jugendliche Leser oder Leserinnen darstellend) und einem Pfahl mit einer durchsichtigen wetterfesten Plastikbox. Hierin enthalten sind Lesematerialien aller Art (vom Vorschul- bis Jugendalter, vom Comic bis zum Sachbuch, von der Fortsetzungsgeschichte bis zu schülereigenen Texten), die vor Ort gelesen und dann wieder in die Box zurückgelegt werden sollen. Jede Lesestation (nummeriert) erläutert das Konzept (auf wasserdicht verschweißter Folie) und enthält auch Stifte und ein Heft, in das man seine (Lese-)Eindrücke notieren kann (feed-back).
Wir waren von Konzeption und Eigeninitiative der Schüler so überzeugt, dass ich sogleich einen Eintrag in das feed-back-Heft vornahm und forsch ankündigte, ein ähnliches Projekt auch bei uns in Hameln zu verwirklichen.
Planung
- Zunächst galt es, dieses Projekt zu skizzieren und den Vorstand unserer Bibliotheksgesellschaft Hameln zu unterbreiten. Die Idee überzeugte, entsprach sie doch unserer satzungsgemäßen Zielsetzung (Förderung der Lesekultur vor Ort), und ich bekam grünes Licht, dieses Projekt umzusetzen.
- Der nächste Schritt war die Suche nach einem geeigneten Ort für dieses Vorhaben. Da der Stadtwald nicht in Frage kam (zu weit weg), schwebte mir das Werder vor, eine Flussinsel mitten in der Weser, altstadtnah, überschaubar, gut angebunden (Fußgängerbrücke) und begehbar (kein Autoverkehr) und vor allem auch schulnah und im städtischen Besitz.
- Ich unterbreitete diese Idee der zuständigen städtischen Behörde („Fachbereich Umwelt und technische Dienste“), deren Leiter ich recht schnell überzeugen konnte und deren Mitarbeiter mir später sehr behilflich waren. Wir besuchten – nach endgültiger Zusage seitens der Stadt (Vertrag) - den Ort und legten dann gemeinsam die Standorte der einzelnen Lesestationen fest. Es sollten 6 oder 7 sein, die zwar relativ nah beieinander, aber ringförmig um ein Gartenlokal nebst Biergarten am Weserufer gelegen waren. Sie konnte man also nacheinander recht schnell erreichen und dort relativ ungestört verweilen. Die Pächterin des Lokals wurde kontaktiert und gab ihr Einverständnis. Kinder von Lokalbesuchern könnten z. B., während ihre Eltern tafelten, die nahen Lesestationen besuchen.
- Jetzt galt es, eine Grundschule zu gewinnen, denn ohne deren Mitarbeit und aktiven Beitrag war das Projekt, da ja auch ein Schulprojekt sein sollte, nicht denkbar. Ich besuchte also die in der Nähe gelegene Papenschule (Altstadt-Grundschule) und trug, nachdem ich das Wohlwollen der Rektorin gewonnen hatte, auf einer Gesamtkonferenz mein/unser Vorhaben vor. Auch hier gelang es relativ schnell, eine Mehrheit des Kollegiums (und der Elternvertreter) für dieses Projekt zu gewinnen. Spontan erklärten sich zwei Kolleginnen bereit, sich mit ihren Klassen daran zu beteiligen. Jetzt war endgültig klar, dass der Lesepfad verwirklicht werden konnte.
Durchführung
Die Durchführung des Projektes erfolgte auf drei Ebenen und mehr oder weniger simultan.
- Die Schule bzw. die Schüler/innen erarbeiteten in Projektform eine Grundkonzeption: Was soll in die einzelnen Boxen hinein? Wie sollen sie bzw. die Figurinen, die auf sie hinweisen, aussehen? Wer betreut und evtl. wann die Lesestationen? Wen können wir zur Mitarbeit gewinnen? Etc. Durch die guten Kontakte der Schule zur Jugendanstalt Hameln-Tündern war es möglich, entsprechend mannshohe Figurinen in wetterfestem Holz und buntbemalt (jeweils einen jugendlichen Leser oder eine Leserin darstellend) kostenfrei erstellen zu lassen (Werkstätten der JA). Der Elternverein bzw. einzelne Eltern waren bereit, geeignete Bücher für die Boxen zur Verfügung zu stellen.
- Die Bibliotheksgesellschaft verhandelte mit dem städtischen Betriebshof zwecks Installierung dieser Figurinen und der Einrichtung der einzelnen Lesestationen. Wir verzichteten auf Holzbänke und beschlossen (auch auf den Rat der Schule hin), große Natursteine (Sandstein) als Sitze an die markierten Stellen bringen zu lassen (unzerstörbar, unverrottbar). Der Betriebshof also war – natürlich gegen angemessene Bezahlung – bereit, mit entsprechend großem Gerät die schweren Steine auf die Insel zu bringen (einige waren noch vorrätig und wurden gespendet, andere waren schon vor Ort und konnten genutzt werden), sie zu platzieren, die Pfosten an Ort und Stelle im Erdreich sicher zu verankern und die Figurinen zu befestigen. Dankenswerterweise waren diese vorher noch durch Lattierung verstärkt worden. Anstelle der Plastikboxen hatten wir uns für amerikanische Briefkästen aus Stahl („Original U.S. Mailbox“) entschieden, die an den Pfosten angebracht wurden. Leider stellte sich später heraus, dass sie zu klein ausgefallen waren und großformatige (Bild)-Bände nicht aufnehmen konnten.
- Gleichzeitig galt es auch, Sponsoren zu gewinnen ( i.d.R. Bankinstitute vor Ort), die Medien zu informieren (Presse, lokaler Sender) und geeignete Bücher (z.T. aus den Beständen der Bibliotheksgesellschaft selbst) bereitzustellen und die Einweihung des Lesepfades vorzubereiten. Endlich am 12. Mai 2014 – nach fast einjähriger Vorbereitung – konnte das Projekt unter Beteiligung aller (Stadt – politische wie Behördenvertreter - , Schule/Schüler, Sponsoren, Bibliotheksgesellschaftsmitglieder, Presse) seiner Bestimmung übergeben werden.
Problemfelder
- Hauptfeind Nummer 1 ist der Vandalismus. Auch die bestgemeinten Vorhaben nützen nichts, wenn böse Menschen sie mutwillig beschädigen. Da keine Rundumbetreuung der Lesestationen möglich ist, ist es nicht zu verhindern, dass einzelne Briefkästen beschädigt, Figurinen verschmutzt, Bücher geklaut oder die Briefkästen als Mülleimer missbraucht werden. Auch wenn immer mal wieder einige unserer Mitglieder und auch die Schüler (natürlich nur während der Schulzeit) ein Auge auf die Stationen haben, bleiben Verluste nicht aus und müssen ständig „bearbeitet“ werden.
- Im Winterhalbjahr ist ein Lesen vor Ort (dazu auf den Sandsteinen) nicht zu erwarten, so dass wir beschlossen haben, den Lesepfad nur von den Oster- bis zu den Herbstferien „offen“ zu halten.
- Die Lust an diesem Projekt stößt dann auf ihre Grenzen, wenn die Grundschüler feststellen müssen, dass die Resultate ihrer Arbeit (durch Beschädigung oder Raub) nicht entsprechend gewürdigt werden. Die Zukunft erst wird erweisen, ob dieses Projekt weitergeführt werden kann.
Abbau des Lesepfades
Leider mussten wir uns entschließen, im Frühjahr 2016 den Lesepfad aufzugeben. Die Zerstörung einiger Lesestationen, der Missbrauch der Bücher-Briefkästen, kurz die mutwillige Beschädigung und Verunreinigung unserer Einrichtung zwangen uns - im Einverständnis mit der betroffenen Schule und den städtischen Behörden - die Stationen abbauen zu lassen. Diese Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen: Ein sinnvolles Projekt im öffentlichen Raum ist gescheitert.